2009 – “37 Ansichtskarten“

„37 Ansichtskarten“ (37 Postcards)
vom Michael McKeever (deutsch von Frank-Thomas Mende)

Regie: Michael Linke / freier Regisseur / Theaterleiter Steinhaus Bautzen

 


 

PRESSEARTIKEL  Samstag, 18. April 2009  Sächsische Zeitung

 

 

 

 

 

 

 

Eine Ansichtskarte von 37 aus Hoyerswerda
Von Uwe Jordan

Rainer Könen kann den geburtsbedingten kölschen Humor auch in einer so schicksalsschweren Stunde nicht ablegen. Während seine Schauspiel-Kollegen hinter der Bühne das Premieren-Lampenfieber mit erprobten Hausmittelchen eindämmen, verteilt er auf einigen Stühlen im Saal Reservierungs-Zettelchen: „WDR“; „Deutsches Theater Berlin“, „DSDS-Casting“, und, ja auch der Lokalpresse wird gedacht. An jenem Abend soll in der Hoyerswerdaer KulturFabrik erstmals Michael McKeevers „37Ansichtskarten“ gezeigt werden. Zwar ist das für die KuFa-Haustheatergruppe „einmaldiewoche“ (der Name resultiert aus der Proben-Frequenz) ein Heimspiel – aber Premiere ist Premiere, Auftritt vor Publikum ist Auftritt vor Publikum – und außerdem steht ja eine noch größere Erstaufführung zuvor: Am nächsten Wochenende richtet die KulturFabrik das 11.Sächsische Amateurtheatertreffen aus, und da werden Könen&Co. ihr Stück auch vor Leuten vom Fach spielen, vor Konkurrenz, wenn man so will – vor Mitgliedern von Amateurtheatern. Nicht irgendwelchen, sondern Sachsens Besten. So ist das.

Medienpräsenz als Ansporn

Freilich dürfen die Hoyerswerdaer Theaterleute um Sabine Kopischke in den Konkurrenten eher Freunde sehen. Michael Linke vom hoch geschätzten Mit-Teilnehmer Steinhaus-Theater Bautzen, hat „einmaldiewoche“ professionell beraten. Zwar nicht einmal die Woche, aber immerhin ein-, zweimal im Monat. „Sonst hätten wir das Stück nicht geschultert bekommen“, gibt Könen uneingeschränkt zu. Und erläutert, die Zettelchen habe er „als Motivation“ für seine Kollegen verteilt, „damit sie von der Medienpräsenz (die dann leider doch nicht vollinhaltlich zustande kommt) zusätzlich angespornt werden“.

Dieses „leider“ darf man getrost so sagen, denn die „37 Ansichtskarten“ wurden vom Hoyerswerdaer Theater-Sextett (Bühnen- und Tontechniker Torsten Hauser nicht mitgerechnet) so locker und leicht (aber keineswegs oberflächlich) dargeboten, wie man es von einem solchen Boulevard-Stück erwarten darf. Skurrilitäten, kleine Bosheiten, Absurditäten und ein paar fast philosophische Sentenzen wurden gekonnt in Szene gesetzt.

Die Fabel ist rasch erzählt: Avery Sutton kommt nach acht Jahren Abwesenheit mit seiner Verlobten Gillian nach Hause. Aber dort ist die Welt irgendwie aus den Fugen geraten: Nicht nur, dass das Haus versinkt (was Averys Vater strikt bestreitet: „Es setzt sich nur“), vor allem in den Köpfen der Verwandten scheint einiges heillos durcheinander. Da gibt es eine Großmutter Nana (Ute Heinrich), die gegenüber Avery für tot erklärt wird, aber sehr lebendig auftaucht und ohne Umschweife Gillians charakterliche Qualitäten sehr drastisch beurteilt. Tot sein soll auch Familien-Rottweiler Skippy, der aber quicklebendig ist, wovon sich Avery (siehe links) schmerzhaft überzeugen muss. Wirklich tot hingegen ist der von der Familie als am Leben ausgegebene Zwillingsbruder Averys, Paul, dessen Tod sich als Schlüssel erweist: Als Paul vor acht Jahren an Leukämie starb, haben alle Suttons sich in eine heile Schein-Wahn-Welt geflüchtet, um den Verlust zu überstehen: Mutter Evelyn (Simone Kruscha) gibt die Grande Dame, Tante Esther betreibt eine gut gehende Senioren-Telefon-Sexline, Großmutter Nana träumt lautstark von ihrem Verehrer Frank, Vater StanfordP. spielt Nachtgolf … und Paul ist eben davongelaufen, hat keinesfalls seiner Mutter die 37Ansichtskarten geschickt, die den Anschein des trauten Familienzusammenhalts über Kontinente hinweg zementiert haben sollen.

Witzige, aber auch tiefsinnige Mono- und Dialoge würzen das Stück: „Das Fehlen jeglicher Verständigung ist die beste Voraussetzung für eine glückliche Familie.“ (Esther)// „Ich wünschte, ihr wäret alle ein bisschen normaler“ (Avery) – „Wir sind so normal wie alle anderen“ (Stanford).

Ja, und da ist ja noch Gillian, die Avery („Ich habe auch gute Nachrichten!“) anbetrachts der sie zusehend nervenden Situation nur zu entgegnen weiß: „Wie– wir bringen sie alle ins Heim?“

Ob da ausgerechnet Skippy eine Wende herbeiführt? Das möge das Publikum selbst herausfinden. Der Besucher darf sich immerhin von der Schlussszene angesprochen fühlen. Kein Happy end, keine Tragödie, aber ein „Vielleicht“.  So verschieden sind, irgendwie, die Suttons und Hoyerswerda plötzlich gar nicht mehr.

 

 

 

 

 

 

11. Sächsisches Amateurtheatertreffen: 24.-26.April 2009// KulturFabrik Hoyerswerda (Alte Berliner Straße26)// Auftritt von „einmaldiewoche“ mit „37Ansichtskarten“ am Sonnabend, dem 25.April, um 10 Uhr in der KuFa