Motorblock – Die streikende Seele

Deine Seele ist ein Motorblock, sie springt nicht an ohne Sprit und Fürsorge.
Also muss für Versorgung gesorgt werden. Und was ist für eine streikende Seele gut? Meine braucht geistiges Futter oder eher gefühltes. So sprach sie zu mir  am Sonntagmorgen „ tu’ was! “

Der Verstand erinnerte sich, dass in der Kufa ein literarisches Frühstücksei aufgeschlagen wird. „Oh ja !“, schrie erfreut die Seele und der lehre Magen schloss sich dem Freudentanz an.
Instinktiv griff ich als Stammgast zum Programmheft, 10. 30 Uhr!, so spät?,  noch vier Stunden bis zum Futter fassen. Na ja, der Magen kann warten, die Seele nicht.

Ach, was soll’s?, der Motorblock ist geölt und voll getankt. Die aufgehende Sonne sieht an einem der gut gefüllten Restlöcher noch mal so schön aus und meine Seele wird mir dankbar sein, den Morgen in der Natur zu verbringen. Kurz noch beim Bäcker des Vertrauens den knurrenden Magen beruhigen und schon kann das erste Frühstück am See für Ausgleich von Seele und Körper sorgen.

Die Sorgen glitzert der so genannte Bernsteinsee weg.

Aua, schreit das Gewissen kurz auf , bei dem Gedanken, dass dieses Loch ein paar Dörfer gefressen hat und dass das Glitzern den Reststoffen, sprich der Asche, von der Verbrennung des schwarzen Goldes, womöglich im Block 31 meines Lehrkraftwerkes, zu verdanken ist.

Aber Wissen  kann ich es nicht und das Licht habe ich zu Hause aus gemacht, somit wandelt sich das schlechte Gewissen mangels bessern Wissens zu einem Guten.

Die Seele freut sich, dass ich mir die Laune nicht vermiesen lasse und vergewissert sich der ersten Sonnenstrahlen, die den nebulösen Nebel  am Horizont verschwinden lassen.

Der warme Kaffee in der Thermostasse  lässt den Wecker klingeln und weckt die verschlafenen Lebensgeister. Die Feen, die mit dem Nebel verschwinden, nehmen die  bösen Geister mit.

So fahr‘ ich mit guter Laune, mit einer in Gang gesetzten Seele und einem guten Gewissen in die Kufa und freu‘ mich, den  schon verschollen geglaubten  Freund Rittersporn Kasyschke wieder zu treffen.

Der Wart , die Glücksfee und andere fleißige Frühstückseiaufschläger sind am Büfett bestücken, nur einer fehlt. Ich erfahre vom Vorstandschef, dass wichtige politische Beratungstätigkeiten bei der SPD ein Kommen des sich doch sehr rarmachenden Kollegen Rittersporn wieder einmal vereitelt haben.

Meine Seele lässt die Enttäuschung darüber kurz trauern, wird jedoch aus dem Trauertal bei dem Anblick des herbstlich drapierten, reichlich gedeckten Frühstücks-angebot  herausgeschleudert.

„Was kostet euer kulturlastiges Frühstück?“ frag ich den Wart: „Drei Euro, Getränke extra!“ Jetzt ist es  bei  mir mit der guten Laune vorbei,  mein Verstand schreit auf und das Gewissen weiß nicht, ob es sich fremd schämen soll? „ Nur drei Euro!“

Jetzt geh‘n mir Schlagworte wie Marktwirtschaft, Eigenmittel,  finanzierbare Kulturarbeit  und ein Motorblock ohne das immer teurer werdende Benzin durch den Kopf. Mein Unmut und klare Empörungsworte an den Wart lassen den Vorstandschef bei der Begrüßung des reichlich anwesenden hungrigen und literaturinteressierten Publikums die Erhöhung auf fünf Euro verkünden.

Nun, meine Seele bekommt durch lustige sächsische historische Wurstfroschbriefge-schichten reichlich und leckere Nahrung.

Mein schlechtes Gewissen und die Fremdscham, für Seelenfutter nur drei Euro bezahlt zu haben, spül‘ ich mit dem anfallenden Abwasch weg.

Mit vollgefüllter oder eher gefühlter Seele und der Hoffnung, das Kulturarbeit auch anständig honoriert wird und das Futter nie ausgeht, fahr‘ ich seelenruhig nach Hause.