Die Einheit beginnt zu zweit

dieeinheitbeginntzuzweitDie deutsche Einheit wurde 1990 – zumindest formal – vollzogen. Von Beginn an war klar, dass sich der Einheitsprozess über viele Jahre hinziehen wird. Schätzungen sagen, dass ca. 60 % der Bürger aus den alten Bundesländern noch nie im Osten waren. Kontakte zwischen Ost und West zeigen immer wieder auf, dass der Austausch über die unterschiedlichen geschichtlichen Erfahrungen und kulturellen Differenzen, die sich im Laufe von mehr als fünf Jahrzehnten zwischen den Gesellschaften in Ost – und Westdeutschland herausgebildet haben, weiterhin notwendig ist.

Im Rahmen des Programmschwerpunktes „Kulturelle Aspekte der Deutschen Einigung“ hat die Kulturstiftung des Bundes deshalb einen „Austauschfonds Ost-West“ eingerichtet. Darauf hin begab sich die Kulturfabrik Hoyerswerda auf die Suche nach einem West-Partner und stieß über das Internet auf das Bürgerzentrum Schuhfabrik in Ahlen. Zwei Städte, die – trotz Unterschiede – mit ähnlichen Problemen wie z.B. Arbeitsplatzverluste auf Grund von industrieller Strukturveränderung zu kämpfen haben. Nun führten beide Zentren in den Jahren 2004 und 2005 dieses Kulturprojekt durch. Durch einen intensiven Kulturaustausch sollte ein Kennenlernen der Menschen in diesen zwei deutschen – 600 km voneinander entfernt liegenden – Kleinstädten ermöglicht werden.

Für die Ahlener standen die Ereignisse um die rassistischen Übergriffe in Hoyerswerda im Vordergrund. Für sie, wie für viele andere, ist der Name der Stadt ein Synonym für Rassismus. Aber die Neugierde auf die Menschen dort und die Fragen: was habt ihr getan, wie seid ihr mit dieser Geschichte bis heute umgegangen, was gibt es eigentlich noch in Hoyerswerda? lösten die ersten Assoziationen ab. Die Hoyerswerdaer dagegen interessierten sich für die Themen Migration von Ausländern und Perspektiven nach dem Zechensterben. Themen die längst auch für Hoyerswerda eine Rolle spielen.

Über kulturelle Anreize und damit verbundene persönliche Kontakte sollte voneinander erlebte Geschichte erfahren werden. Damit wurden der Blick und das Wissen auf die jeweilig andere Stadt und die unterschiedliche Sozialisierung erweitert. Die einzelnen 15 Bausteine sind kulturelle Angebote, die gemeinsam entwickelt wurden und die den Austausch über die Vielfalt und die Hintergründe unterschiedlicher sozialer und kultureller Wahrnehmungsweise ermöglichen sollen.

Orientierend an dem Buch „Die Einheit beginnt zu zweit“ der Psychotherapeuten Moeller und Maaz haben die Projektteilnehmer gemeinsam ein neues Buch entstehen lassen. Dieses entwickelt sich aus den niedergeschriebenen Berichten über die einzelnen Projekt-Bausteine, Tagebuchnotizen und Fotografien.

Zahlreiche Nachfolgegeschichten wurden auch nach Beendigung des offiziellen Projektzeitraumes realisiert. Grundlage dafür waren die Kontakte, welche längst zu Freundschaften geworden sind, die immer noch bestehen und immer wieder zu neuen Kooperationen führen werden. Gegenseitige Besuche, das Arbeitstreffen im Harz 2011, die gemeinsam Umfahrung des Mauerradweges oder das Projekt „Verbindung halten“ 2012 bestätigen die erarbeitet gute Basis. Wer mehr Infos dazu haben will besucht uns direkt in Hoywoy, in Ahlen oder auf unseren Homepages.

 

19.9.2023
Ost- West Kulturaustausch seit 20 Jahren!

Alles begann mit einer Email Ende 2003 auf der Suche nach einem Kulturaustausch
zwischen Ost und West Deutschland . Seither verbindet die Akteure der Kulturfabrik Hoyerswerda und dem Ahlener
Bürgerzentrum Schuhfabrik eine 20jährige Geschichte. Die soll nun mit einem Veranstaltungswochenende und dem Besuch einer Delegation aus Hoyerswerda am 23 . und 24. September gefeiert werden.
Am Samstag, dem 23. September um 19 Uhr liest Grit Lemke gemeinsam mit weiteren Akteuren und Akteurinnen aus ihrem Buch „Kinder von Hoy – Freiheit, Glück und Terror“ im Saal der Schuhfabrik. Das Buch erschien 2021 im Suhrkamp Verlag. Grit Lemke ist in Hoyerswerda aufgewachsen und studierte nach einer Lehre zur Baufacharbeiterin Kulturwissenschaft, Ethnologie und Literaturwissenschaft. Heute arbeitet sie als Autorin, Kuratorin und Dokumentarfilmregisseurin und lebt zeitweise wieder in Hoyerswerda. Einige der damaligen Protagonisten, die in dieser „kollektiven Geschichte“ zu Worte kommen, sind in Ahlen dabei und werden ihre Anteile persönlich vorstellen.
Am Sonntag, dem 24. September um 11 Uhr zeigt Grit Lemke außerdem ihren Film „Gundermann Revier“ im CinemAhlen in einer Matinée. Gerhard Gundermann war Baggerfahrer, Rockpoet und die „Stimme des Ostens“. Der für den Grimme-Preis nominierte Dokumentarfilm von Grit Lemke, macht sich auf die Suche nach dem, was dieses Leben ausmachte, bevor es 1998 so plötzlich erlosch. Die Silly-Musiker Uwe Hassbecker und Ritchie Barton, Andy Wieczorek von der Band „Seilschaft“ und Conny Gundermann, seine Lebensgefährtin kommen zu Wort. Aber auch seine Lehrerin, seine ersten Wegbegleiter aus der Brigade Feuerstein, sein Tontechniker und enge Mitarbeiter erinnern sich.
Wie in einem Brennspiegel bündeln sich in der Region und in Gundermanns Werk globale Fragen: nach Heimat, nach dem Ende der Arbeit, nach Utopien und individueller Verantwortung. Der Film erzählt mit Poesie und Musik, eingebettet in die Bilder einer gebrochenen Landschaft und mit vielen unbekannten Archivaufnahmen, über einen von jenen, die „die Welt nicht retten können, aber möchten / mit viel zu kurzen Messern in viel zu langen Nächten“. In seinen Liedern sang er vom Alltag der Arbeiter im Braunkohlerevier der Lausitz, setzte sich kritisch mit dem System auseinander und verarbeitete in dem Song „Sieglinde“ auch sein eigenes Wirken als Spitzel für die Stasi. Gundermann lebte immer zwei Leben: Als erfolgreicher Musiker und als Arbeiter, als Familienvater und öffentliche Person, als Sozialist und als Querkopf, der wegen „prinzipieller Eigenwilligkeit“ aus der SED ausgeschlossen wurde.
Die Partnerschaft zwischen den beiden soziokulturellen Zentren hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Aktivitäten hervorgebracht. Mit dem Mediencamp für Jugendliche aus Ost und West, gegenseitigen Besuchen und intensivem Austauschbegegnungen in ehemaligen innerdeutschen Grenzregionen, einer Wanderung zwischen den beiden Orten und einigen Dokumentationen und Artikeln haben sich die Aktiven immer wieder gegenseitig inspiriert und viel voneinander gelernt. 2006 wurde der Austausch vom damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler in einem Schreiben persönlich geehrt und „zur Nachahmung empfohlen“.
Der Eintritt zu beiden Veranstaltungen ist frei
Der Filmabend wird unterstützt durch „Dritte Orte Raum und Zeit für Veränderung“ und wird über das Ministerium für Kultur und Wissenschaft NRW
gefördert. Mehr Infos unter www.schuhfabrik-ahlen.de.