Gundermann – Pressespiegel

Pressespiegel

Ein Sachse mit Volksmusik

„Ich wusste, auf dieser Kassette singt ein Liedermacher aus Sachsen zwei Stunden zur Gitarre. Ich sagte: Bitte! So etwas will ich nicht hören. Keine Gitarre, keinen Liedermacher, schon gar nicht aus Sachsen. Einmal stand ich dann im Stau, hatte nichts dabei als diese Kassette und dachte: Schlimmer kann es jetzt nicht mehr kommen. Als der Stau vorbei war, bin ich erst mal rechts ran gefahren, um die Lieder zu Ende zu hören.“Das erzählt der Tübinger Autor und Theaterregisseur Heiner Kondschak von seiner ersten Begegnung mit dem Lausitzer Liedermacher Gerhard Gundermann Ende der neunziger Jahre.

gundi-internet„Was Ton Steine Scherben in den Achtzigern für Westler bedeuteten, so etwas war Gundermann in den Neunzigern für Ostler. Er war ein philosophischer Volksmusiker, ein großer Anti-Star. Das Aufrichtige an ihm rührt noch heute“, sagt der Buschfunk-Verleger Klaus Koch über seinen Künstler. Moment mal – Aufrichtigkeit? Was ist mit seinen Petzberichten für die Stasi in den Siebzigern? Gerade der Nischen-Fan lässt die eigentlich nicht durchgehen. So absurd es klingt, aber selbst da war Gundermann auf seine Art aufrichtig. Zwar schämte er sich später gehörig, zwar war er als IM ein mieser Wichtigtuer, wie Aktenkenner urteilen. Doch er selbst war zu der Zeit der glühende Weltverbesserer, der Überzeugungstäter ohne Unrechtsgefühl. Er hatte es erst als Politoffizier versucht. Als er sich weigerte, das Lied „Unser General“ für den Armeegeneral anzustimmen, als er das zu Personenkult erklärte, flog er raus. Zur Begründung hieß es, er sei „überheblich durch Wissensvorsprung, faul und nervös.“

Er ging in den Tagebau. Als ihn später Stasi-Anwerber fragten, sagte er sofort Ja. Wenn nicht Offizier, dann eben Agent. 1982 hörte er auf, als er begriff, dass seine Spitzeleien den Sozialismus nicht voranbrachten. Er wurde nun selbst überwacht, rechnete das aber nie auf, klagte nicht mal über Auftritts- und Reiseverbote.

Gundermann wurde mit der Zeit Vegetarier, Esoteriker, Antialkoholiker, dazu ein radikaler Ökologe und militanter Rohstoff-Sparer. Ein Kommunist war er immer. Einer, der an die Veränderbarkeit der Welt glaubte. Menschen hören so etwas gern. Seine besten Songs sind nicht die rabiaten Rocktitel, sondern die mit der großherzigen Sehnsucht und der friedfertigen Traurigkeit. Man hört sie nicht nur im Konzert, manche auch auf Friedhöfen. „Einmal“, zum Beispiel, ein ergreifender Zwölfzeiler über Leben, Tod, Wiedergeburt.

Und in Tübingen, da, wo die Randgruppencombo herkommt, da liest man Gundermann-Strophen mitunter sogar in Geburtsanzeigen. In „Linda“, entstanden nach der Ankunft von seiner jüngsten Tochter, heißt es: „Du bist in mein Herz gefalln / wie in ein verlassenes Haus“.
Birgit Walter

Der Rastlose in der Maschinistenfarm

feusteine-1Am 13. Juni 1998 tritt Gerhard Gundermann zum letzten Mal in Hoyerswerda auf. Die Feierlichkeiten zu 20 Jahre Brigade Feuerstein stehen an. Bernd Nitzsche kann sich an diesen Abend noch genau erinnern. «Die Bude war brechend voll. Gundi saß nach dem Auftritt hinter der Bühne, noch in seinem Clowns-Kostüm als Tränchen Traurig. Er hat selbst Tränen in den Augen gehabt. Es hatte alles geklappt, fast wie früher.» Doch spät am Abend setzt bei Gundermann plötzlich Aufbruchstimmung ein. Am nächsten Tag steht ein Auftritt in Krams an, irgendwo zwischen Perleberg und Kyritz. «Weil er das nicht sausen lassen wollte, hat er zusammengepackt. Das war verrückt», sagt Nitzsche. Am darauf folgenden Tag entstehen, ohne dass es jemand ahnt, die letzten Konzert-Mitschnitte. Eine Woche später ist Gundermann tot.

Was von Gundi geblieben ist: Auf jeden Fall ein großes Loch, sagt Uwe Proksch. Vielen Gundermann-Fans geht es ähnlich. «Wir haben ewig darunter gelitten, dass er so früh gestorben ist. Diese Lücke füllt niemand mehr», so der Kufa-Geschäftsführer. Was bleibt, sind seine Lieder. Immerhin kann man sich daran entlang hangeln. Bei vielen, die ihn erlebt haben, laufen noch heute die CDs rauf und runter. Wenn Bernd Nitzsche heute Abend wieder zur Gitarre greift und in der Hoyerswerdaer Kulturfabrik Gundermann-Songs anstimmt, lässt das auch dessen frühere Mitstreiter nicht kalt.
Sascha Klein (Lausitzer Rundschau)

Der «Singende Baggerfahrer» bleibt präsent

Zehn Jahre nach seinem Tod pflegen nationale und internationale Sänger das musikalische Erbe des Lausitzer Liedermachers Gerhard Gundermann. «Gundermann ist längst im Westen angekommen», sagte sein langjähriger Wegbegleiter Bernd Nitzsche in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa. In ganz Deutschland und sogar in den Niederlanden geben Bands mittlerweile Konzerte mit Gundermann-Titeln – wie anlässlich seines zehnten Todestages (21. Juni). «Oft schleppen Fans noch Freunde oder Bekannte mit und so potenziert sich das dann», erzählt Sänger Nitzsche aus eigener Erfahrung.

v2_bern-und-johann-1Die Löcher, die er in die Lausitz gebaggert hat, sind längst wieder zugeschüttet oder geflutet, die Kohle verheizt und der kollektive Freizeitpark Ost nimmt langsam Gestalt an, nennt sich nun – mehr ein Versprechen für die Zukunft als ein Abbild der Gegenwart – »Seenland« statt Braunkohlerevier. Die blühenden Landschaften wachsen vorerst und wohl auch endgültig nur auf alten Resthalden, zu all dem heulen nachts wieder die Wölfe, und immer wieder wächst das Gras. Die Engel über dem Revier sind weitergezogen, haben umgeschult oder beziehen lieber »Hartz IV«, als sich etwa um verschüttete Kumpel im Donezkbecken oder in chinesischen Gruben zu sorgen.

Am 21. Juni 1998 verstarb unerwartet der Kohlekumpel und Liedermacher Gerhard Gundermann. Auch er war damals dem Arbeitsmarkt zurückgegeben worden und wurde umgeschult, hat aber nicht, wie viele andere in dieser Situation, resigniert, sondern seine Sorgen und Ängste wie auch sein kleines Glück immer wieder aufgeschrieben und zu Liedern gemacht. Er wurde damit zum Chronisten eines abgewickelten Landes, sprach aus, was viele seit den frühen 90er Jahren an Enttäuschungen und Demütigungen erleben und durchleben mußten und wurde dafür verehrt und gehaßt, so wie es wohl allen Idealisten, Utopisten und Spinnern jederzeit ergangen ist.

Die vier Alben, die in jener Zeit entstanden, sind dennoch auch heute noch hörenswert, wie auch manches von denjenigen, die das rührige Label »Buschfunk« nach Gundermanns Tod immer wieder und trotz kleinlicher Rechtsstreitigkeiten veröffentlichte und veröffentlicht: Am 21. Juni erscheint dort eine Konzert-CD/DVD die laut Ankündigung ausdrücklich keine »Best of«-Auswahl darstellen soll. Sie enthält neben zwei bisher unveröffentlichten Liedern auch Ausschnitte aus den beiden Dokumentarfilmen, die Richard Engel 1983 und 1999 über den Musiker drehte. Interessanter dürfte jedoch sein, sich die beiden Filme »Gundi Gundermann« und »Ende der Eisenzeit« im Original anzusehen, denn sie geben nicht nur Auskunft über Gundermann selbst, sondern vermitteln auch Einblicke in die Lebens- und Arbeitsbedingungen in der Lausitz in den 1980er Jahren und die radikalen Veränderungen derselben im darauffolgenden Jahrzehnt.
Maik Hölzel