Ü 40 Betablockerabend
Mutti hat zum sonntäglichen verfrühten Weihnachtsschmaus geladen, also schon am Sonnabend nach Hoy Woy. Was ist los in der Kufa? Comediekasperei, nun gut – is nicht so mein Ding und außerdem schon mal gesehen, trotzdem hin… Brautschau, schauen wir mal, was geschieht.
Frauen sind genug da, aber gleich wird der Saal so dunkel, dass von der Weiblichkeit nur noch Konturen zu erahnen sind.
Von der Saalaufsichtsperson (Vertretung für den Wart) werde ich freundlich aber bestimmt vom Tresen verwiesen, ich möge mir einen Sitzplatz suchen. Ich mag aber nicht und suche mir ein Stehplatz im Eingangsbereich des doch gut gefüllten Veranstaltungsortes. Naja, der Abend geht ja schon gut los, die Stimmung sinkt, aber wenigstens ist der Eingangsbereich gleichzeitiger Ausgangsbereich, dieser wird von mir während der gar lustigen Veranstaltung in dieser Funktion zum mehrmaligen Inhalieren meiner Klimmstängel genutzt.
Die glühenden Totbringer wirken heute wie Betablocker. Die zwei lustigen Zwei können die stimmungstötende Wirkung nicht verhindern.
So kreisen meine Gedanken um die Frage, wo ein miesgelauntes einsames Herz heute noch eine aufhellende Bespaßung findet.
Mein Freund und heutiger Herbergsvater gibt einen Tipp ab – Ü30 Party im Lessinghaus. Naja, noch ein Bier in der spaßlosen Pause geordert und in einem Zug geleert und dann los auf die hoffentlich freudbringende Vergnügungsmeile.
Die Meile ist sehr kurz und endet erst einmal im Amüsiertempel Mochito. Meine Stimmung sinkt weiter, als mich die Kellnerin auf meine Frage nach leckeren mexikanischen Nachos auf deutsche Salzstangen verweist. Das Klassentreffen am Nachbartisch ist der fortgeschrittenen Zeit entsprechend laut, und ich will nur noch nach Hause. Mein Herbergsvater und seine Freunde können mit meiner schlechten Laune nicht mithalten und fordern den Fortgang des nicht mehr zu rettenden Abend im Lessinghaus.
Na dann mit gedackelt zur momentan beliebtesten Veranstaltungsreihe, Ü30 Party.
Was ich dort mit meiner angetrunkenen schlechten Stimmung erlebe, will ich hier nicht ausbreiten und Lessing will es auch nicht wissen, denn er will in seinem Grab die verdiente Ruhe.
So geht es mit dem Taxi zu fortgeschrittener Stunde ins WK 5e zu meiner Herberge.
Dort schaue ich in die anbrechende Dämmerung aus dem Fenster und sehe meinen blauen Kindheitsblock, den sehe ich nur, weil es den gelben des Wartes nicht mehr gibt.
Ich lasse den missratenen Abend im Kopf noch einmal in der Kufa bei den zwei Spaßvögeln anfangen und lache zum Schluss doch noch einmal laut auf.
Der Grund ist dieser hängen gebliebene Witz.
Ein Falschparker auf einem Behinderten-Parkplatz wird in forschem Ton von einer Politesse mit der bestimmenden Frage „was er wohl für eine Behinderung hätte“ genervt. Laut und bestimmt antwortet der Ertappte klug: „Tourette…, du Schlampe!“
Ich weiß nicht, ob gegen diese Krankheit Betablocker helfen und will es nach diesem Abend auch gar nicht wissen.
Welch Kauder